Josef Georg Miller

Miller in seinem Atelier ca. 1975
Dort wo Sie heute in der Pension Malerwinkel günstig übernachten können und einen wunderbaren Ausblick auf Kallmünz genießen können, war das Haus und später das Kinderheim von Erna und Josef Georg Miller. Von hier aus hat er über die Jahre hinweg immer wieder Kallmünz gemalt.


Kallmünz und seine Umgebung hat die Maler spätestens seit Anfang des 20ten Jahrhunderts angezogen. Das Licht scheint hier besondere Wirkung zu haben. Nicht nur Kandinsky und Münter, auch Karl Schmidt-Rottluff und viele andere haben die Variationen der Landschaft bei verschiedenen Lichtverhältnissen gesehen und gemalt. Wir haben bisher ca. 300 Maler dokumentiert, die Kallmünz gemalt und in Kallmünz haben.

Miller hat das mit seinem geschulten Auge erkannt. Er hat den Ort in allen nur denkbaren Licht- und Farbkompositionen gemalt. Als Miller seine Frau Erna während der Kur nach Bad Wörishofen begleiten sollte, ging er dort spazieren und taxierte die Gegend. „Ich sehe da nichts“, kommentierte er und fuhr am gleichen Abend wieder in sein Kallmünz zurück. Seine frühen Ortsansichten sind von starker Farbigkeit, aber noch von einer realistischen Darstellung mit starken Konturen gezeichnet. Die Farben entsprechen der realen Wahrnehmung und spiegeln die Stimmung einer Jahreszeit. Bei späteren Darstellungen werden die Konturen deutlicher, stärker, die schwarzen Umrandungen dicker, die Formen flächiger, kantiger und die Farben orientieren sich nicht mehr am Gesehenen. „Die Farben sind uns nicht gegeben, um die Natur nachzuahmen, sondern um das Eigenleben des Malers darzustellen“, wird er zitiert.
Kallmünz ist sein Motiv: er malt es aus allen Perspektiven und in allen Farben. Je älter er wird, umso freier komponiert er die Gassen im Farbenspiel der Natur und der eigenen Empfindungen.

Am 4.4.1944 kamen Erna Brückner und Josef Georg Miller zu Fuß mit schweren Koffern bepackt, von Burglengenfeld nach Kallmünz.
Als sie hier ankammen konnte von „Ferien“ keine Rede sein. Miller kam auch nicht, weil in dem Ort so berühmte Maler wie Wassily Kandinsky und Gabriele Münter oder Karl Schmidt-Rottluff gemalt hatten.

In Kriegszeiten gibt es existentielle Gründe. Erna und Josef Georg Miller suchten eine Töpferei, die sie übernehmen konnten, Neugründungen waren in Kriegszeiten nicht erlaubt. Sie wollten dem Bmbardement in München entkommen. Erna Miller arbeitete als Sanitätshilfe und musst mitansehen, wie ihre Studienkolleginnen im BMW-Werk, das jeden Tag bombardiert wurde umkamen.
Nach langem Suchen in ganz Bayern wurden sie schließlich in Kallmünz fündig und konnten die Töpferei Glötzl übernehmen, in der übrigens Wassily Kandinsky während seines Aufenthalts im Sommer 1903 getöpfert hatte.

Das Paar konnte jetzt dem Bombardement von München entkommen, wo sich die beiden an der Akademie für Töpferei kennen gelernt hatten.
In ihrem Bericht „Mehr als 50 Kallmünzer Jahre“ beschreibt Erna Miller die Anreise: „ „Auf halbem Weg (von Burglengenfeld) kam uns die Burgruine von Kallmünz über dem Naabtal entgegen, und alle Mühe war in Freude verwandelt. Es war ein herrlicher Frühlingstag, der 4.4.44. Wir waren wieder froh, unsere Schritte wurden länger und unser Freuen immer größer. Häuser duckten sich an den Felsen, wie eine Henne ihre Kücklein zusammenhält. Die Kirche thronte etwas erhöht vor dem Felsen…


Das Talent von Miller wurde schon früh erkannt, dennoch machte er erst eine Ausbildung als Zimmerer im Betrieb seines Onkels. Kunststipendien brachten ihn nach Stuttgart und dann nach Leipzig, wo er an der staatlichen Kunstakademie bei Prof Willi Geiger und Hans Soltmann studierte.


Nach einem weiteren Studium in Stuttgart kehrte er in den 30er Jahren wieder nach Leipzig zurück, wo er als freier Künstler arbeitete, bis eine neue Kulturpolitik freies Arbeiten für Künstler erschwerte oder verbot.
Aus der Kunsthalle in Leipzig wurden drei Arbeiten von Miller entfernt und vernichtet, als Hitlers Kunstvorstellung durch die Museen wütete. Da Miller keine „rosaroten Akte“, wie er es formulierte malen wollte, kehrte er zu seinem Brotberuf als Zimmerer zurück. 1941 kam er schließlich nach München und begann das Studium der Keramik. Vom Kriegsdienst war er wegen seiner  Schwerhörigkeit freigestellt. 
Die Vorgaben der Kulturpolitik des Hitlerregimes, der Krieg und schließlich die Not nach dem Krieg, behinderten den Weg des Künstlers, aber sie konnten ihn nicht verhindern. Die Kunstgeschichte hat den Begriff der „verschollenen Generation“ geprägt, zu der auch Josef Georg Miller zu rechnen ist.
Als er vom Tod Hitlers erfuhr hat er seine Frau in den Arm genommen und  ist vor Begeisterung mit ihr buchstäblich im Freudentaumel einen Hang hinuntergerollt. Jetzt konnte er wieder malen.
Der Broterwerb zwang das Paar aber Keramik herzustellen, womit sie recht erfolgreich waren. Später eröffneten sie ein Kinderheim. Die Not der Kinder und die Sorge für sie sicherte ihren Lebensunterhalt. Nach dem Krieg hat keiner Geld um Kunst zu kaufen. Dennoch begann Miller wie ein „Besessener“ zu malen und zu zeichnen. Tausende Bilder und Zeichnungen entstanden. 

In seinen frühen Arbeiten ist Miller noch stark an seinen expressionistischen Lehrern Willi Geiger und Hans Soltmann orientiert. Die Farben sind eher dunkel, die Zeichnungen reduziert auf eine Geste. Später wird er in jeder Hinsicht freier, seine Bilder werden geprägt von starken, leuchtenden Farben. Und gemalt wird alles, was ihm begegnet und immer wieder Kallmünz. Die Straßen, Gassen und der Schlossberg erscheinen oft eigenwillig verzerrt in allen denkbaren Farbkompositionen, rot, lila, grün blau, je nach Stimmung. 
Ein weiterer Schwerpunkt seiner Motive sind Kinderbildnisse. In dem Kinderheim, das zum Teil bis zu 50 Buben und Mädchen aufnahm, fand er sie jederzeit: Buben beim Lesen, Mädchen beim Spiel, Kinder ins Gespräch vertieft, beim Stricken, Spielen oder über Hausaufgeben brütend. Die Bilder sind stark fokussiert auf  genau eine Haltung, Pose oder Geste. 


Josef Georg Miller kam bei einem Autounfall im November 1983 ums Leben. Der schwerhörige Maler hatte im Nebel ein vorbeifahrendes Auto nicht gehört.

Erna Miller schreibt in ihren Erinnerungen: „1948 kam ein Journalist der Mittelbayerischen Zeitung, Herr Fritz Gebhardt, zu uns. Bevor er ins Atelier trat, zog er seine Joppe stramm, befühlte seine Krawatte und strich sich übers Haar. Drinnen stand Sepp, bei der Hitze nur mit Lederschürze bekleidet. Aufräumen durfte ich nie, ich brachte - nach ihm – nur Unordnung. Es kam ein kleiner, wunderschöner Artikel zustande, bei dem alles eintraf, was er sagte. Er hieß: „Künstler der Heimat“ mit einem Bild von 1947
 
Der Redakteur, der so viel Respekt bekundete, ist heute bekannt als Eugen Oker. Er hat mit einem Artikel in die Zeit hat er Kallmünz wieder auf das Tablett der Kunstgeschichte gehoben. Wir hören am Ende unseres Rundgangs sein "LIebeslied" für Kallmünz.

Über Sepp Miller schreibt er: „ …jedes einzelne (Bild) ein Kunstwerk und wert, in einer Ausstellung zu hängen… In der Ausdrucksform möchten wir ihn zwischen Van Gogh und Schmidt-Rott-luff festlegen, doch sprengt seine Eigenwilligkeit jeden
Rahmen. Ein Expressionist mit einem unerhörten Können… Wir glauben nicht falsch zu urteilen, wenn wir ihn neben XAVER FUHR als den bedeutendsten Maler in
unserem Heimatgebiet betrachten.“

Das war 1948 richtig und ist erst recht gültig für den späten Miller, der so der Eindruck auch dieser Ausstellung - je älter desto ausdrucksstärker wird. Seine Arbeiten bestechen durch eine Klarheit und Farbigkeit, seine Zeichnungen durch Präzision und Konzentration auf das Wesentliche.

Miller hatte eine hochkarätige akademische Ausbildung als Künstler. Sein Leben in der Abgeschiedenheit auf dem Land ermöglichte ihm, sich auf dieser Basis ganz auf seine eigene Entfaltung und Entwicklung zu konzentrieren. Auch wenn die meisten Arbeiten nicht datiert sind, so kann man doch eine klare Entwicklung herauslesen. Miller wird - je länger er malt - in jeder Hinsicht freier. Die farbigsten, prächtigsten Bilder – ja die „jüngsten“ Bilder, sind die des alten Miller. Die starken, leuchtenden Farben, die ungewöhnlichen, manchmal eigenwilligen Kompositionen, entsprechen heute, zum Teil mehr als 50 Jahre nach ihrer Herstellung, unseren Sehgewohnheiten.

Wie kein anderer Künstler gehört Miller zu Kallmünz. In vielen Haushalten und im Verwaltungsgebäude der Gemeinde hängen seine Bilder.  
Wir können uns von seinen Bildern begeistern lassen. Und auch in diesem Fall strahlt der Glanz des Künstler auf den Markt Kallmünz ab.

Wir gehen zurück zur Schiffsanlegestelle und weiter zurück zum Start

 

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