10. Marktplatz
Postkarte Bergverein Kallmünz, Marktplatz,
1910
Kallmünz war als wichtiger Verkehrspunkt auch ein wichtiger Handelsplatz. Schon zu Zeiten Karls des Großen, also um 800 sollen hier Güter getauscht worden sein. Im Laufe der Zeiten entwickelte sich ein regelmäßiger Wochenmarkt. 1384 wurde dieser von Kurfürst Ruprecht auf Montag verlegt, damit die Sonntagsruhe eingehalten werden konnte. Wegen guter und willig geleisteter Dienste verlieh Herzog Albrecht 1472 dem Ort das Recht zwei Jahrmärkte abzuhalten, später wurden sechs daraus. Der Marktplatz war mit seinen Wirtshäusern im Umfeld der am besten geeignete Ort dafür.
Vor 1912 wurden auch schon Autos in Kallmünz gesichtet. Das war auf jeden Fall eine Ansichtskarte wert.
In der Bildmitte sehen wir noch das Mesner-Haus, auch Zintlaus genannt.
1912 wurde das Haus abgerissen, in dem auch der Maler Matthias Zintl (gestorben 1771) hatte hier gewohnt hatte. Die Kirche von Kallmünz verdankt ihm das Deckenfresko und andere Bilder.
Das Zintlhaus (Mesner-Haus) hatte auch Wassily Kandinsky als Motiv für ein Gemälde gewählt. Das Original davon soll sich in Beverly Hills im Besitz von Kirk Douglas (gestorben am 05.02.2020) befunden haben. Leider ist in Kallmünz selbst bisher noch kein Gemälde von Kandinsky aufgetaucht.
Wassily Kandinsky, Mesnerhaus, 1903, Öl auf Malerpappe, 24 x 31,5 cm
Auch Ludwig von Senger (1873 - 1937) hat dieses Motiv interessiert.

Ludwig von Senger, Mesnerhaus, Öl auf Leinwand, ca. 50 x 50 cm
Kandinskys Gemälde (oben) zeigt eine lebendige, emotional aufgeladene Stadtansicht. Die Farben sind kräftig und kontrastreich, die Formen leicht verzerrt, und der Pinselstrich bleibt deutlich sichtbar. Dadurch entsteht Bewegung und Ausdruck. Man spürt schon den Übergang zu Kandinskys späterem Expressionismus.
Ludwig von Senger hingegen malt ruhiger und gegenständlicher. Seine Farbpalette ist gedämpfter, die Komposition klar und ausgewogen. Er legt Wert auf Licht, Raum und Struktur der Häuser, wodurch das Bild eine stille, beinahe kontemplative Atmosphäre erhält.
Kandinsky sucht emotionale Wirkung und subjektiven Ausdruck, während von Senger Beobachtung, Stimmung und architektonische Ordnung betont.
Wir stehen jetzt vor dem Alten Rathaus, das verschiedenste Nutzungen erlebte. Der erste Stock, wo für Oskar Koller ein Museum eingerichtet wurde, bietet heute Platz für kulturelle Veranstaltungen, auch die Ausstellungen des Bergvereins und des Kulturecks werden hier gezeigt. Der zweite Stock diente der Verwaltung. Der schöne Sitzungsaal ist heute sehr beliebt für Trauungen. Im Erdgeschoß ist das Tourismusbüro der Marktgemeinde untergebracht.

Erik Mailick, Marktplatz, Öl auf Leinwand, 70 x 55 cm
Der Marktplatz auf dem Bild von Erik Mailick ist belebt. Ein Ochsengespann kommt von der Steineren Brücke, in der Tür vom Gasthof Karl Knauer wartet eine Bedienung auf Gäste.
Rund um den Marktplatz waren Gaststätten angeordnet. Die Gastwirtschaft Knauer an der Brückenauffahrt wurde auch „Zum Landkutscher“ oder "Schuderer" genannt. Das Gebäude wurde 1968 abgerissen und neu gebaut.
Einige Kallmünzer bevorzugten das Maßkrugklingen dem Kirchengeläute. Das Hochamt um 9.00 Uhr wurde auch als die „Schuderer Messe“ bezeichnet. Die beliebtesten Plätze waren die an den Brückenfenstern. Da die Gastwirtschaft niedriger als der Aufgang zur Brücke lag, erhofften sich die Männer an den Biertischen sonst unerreichbare Einblicke bei den Kirchgängerinnen, wenn diese nach Hause gingen. Aktuell steht das Gebäude leer, da die Raiffeisenbank umgezogen ist.
Wir wenden uns nach Osten und sehen den Nachtwächter von Kallmünz: Mit Hellebarde und Horn
ausgestattet blies er jede Stunde von 22 bis 4 Uhr morgens und schreckte die Bürger aus dem Schlaf.. (hochdeutsche Version)
Meine lieben Leute lasst euch sagen
der Hammer hat elfe gschlagen
bewahrt das Feuer und das Licht
auf dass kein Brand ausbricht!"
Bekannt geworden ist er auch durch einen Druck von Franz Skarbina, der immer wieder einmal bei Auktionen angeboten wird.
Im Hintergrund sehen wir den Eingang zum Pfarrhof. Der Kirchturm darüber ist eine "Fatamorgana", möglicherweise hatte Herr Skarbina in der Gaststätte "Zur goldenen Gans" vor der der Nachtwächter steht, zu tief ins Glas geschaut.

Franz Skarbina, Nachtwächter, 1901, Steindruck, 40 x 30 cm

Ludwig von Senger, Kallmünz bei Nacht
Das nächtliche Stadtbild zeigt den Marktplatz von Kallmünz unter einem dunklen, von Sternen erhellten Himmel. Vor der "goldenen Gans" wanken ein paar Männer (Soldaten?) mit Helmen und Werkzeugen oder Gewehren nach Hause. Die Postkutsche fährt weiter durch die Brunngasse nach Burglengenfeld. Das schwache Licht aus den Fenstern und die dunklen Felsen im Hintergrund verleihen der Szene eine geheimnisvolle, fast dramatische Stimmung.
Heute steht auch die "Goldene Gans" leer, der Investor, der es gekauft hat, wartet mit der Renovierung. Im Ergeschoss kann man sich die Haare schön machen lassen: "Bell'Hair"
Wir gehen weiter Richtung Brunngasse. Das frühere Gebäude von Schuhhaus Schäfer steht ebenfalls seit längerem leer. Der Berliner Maler Willhelm von Plessen (1868 - 1937) hat hier ein ländliche Idylle gesehen. Die Frau mit weißem Koptuch, weißer Bluse und blauem Rock hat wohl gerade ihre Hühner gefüttert. Die Szene mit alten Häusern mit grünen Fensterläden, Blumenkästen und einem Holzzaun spiegeltmit den liebevollen Details eine ruhige, heitere Alltagsdarstellung aus dem ländlichen Leben. Genau das, was die Künstler so angezogen hat. Ein Mitbürger hatte das Bild in einem Antiquariat in München entdeckt und wieder zurück gebracht.
Willi von Plessen, dörfliche Szene, Öl auf Leinwand, 65 x 55 cm
Das Tor am Anfang der Brunngasse links führt in den Pfarrhof, der hier von Ludwig von Senger in leuchtend weißer Farbe erstrahlt.
Ludwig von Senger, Pfarrhof, ca. 1905, Öl auf Leinwand, 65 x 80 cm
Wir gehen weiter in die
11. Brunngasse


