Exkurs: Hochwasser in Kallmünz
"Abseits von den modernen Verkehrsstraßen, ferne vom Getriebe der Städte, durchflossen von der bräunlichen Naab und der grünlichen Vils, die von da an geeint der Mutter Donau zustreben, liegt der Ort so traulich in seiner unberührten Frische, so wunderschön in seiner hochromantischen Umrahmung, dass er auf jeden Naturfreund seinen eigenartigen Reiz ausübt."
So rühmte Johann Baptist Laßleben 1903 Kallmünz in der Zeitschrift "Bayerland".
Foto: Bergverein Kallmünz e.V., die Naab steigt...
Die Vils entspringt 60 km nördlich in Kleinschönbrunn, die Naab hat 130 km bis hierher und vereint Waldnaab, Fichtelnaab und Heidenaab. Immer wenn der Schnee im Bayerischen und Oberpfälzer Wald schmilzt und Regen dazu kommt, steigen die Flusspegel. Im Laufe der Geschichte des Ortes sind regelmäßig Hochwasser dokumentiert.
Oben ein Blick von der Burg auf die Naab bei kleinem Hochwasser, das Schmidwöhr ist schon zum Teil überschwemmt. Ein ähnlicher Blick etwas weiter ins Naabtal noch einmal bei etwas höherem Wasser.
Der Zufluss der Vils ist nicht mehr zu sehen, im Hintergrund der Strobelberg.
Foto: Bergverein Kallmünz e.V., Schmidwöhr unter Waser
Viele Fotos und Postkarten dokumentieren das Jahrhunderthochwasser von 1909, das größte Hochwasser das Kallmünz bisher erlebt hat.
Zerstörte Vilsbrücke mit Blick auf die Gessendorfer Straße, die Gebäude sind seither alle verschwunden.

Postkarte Bergverein Kallmünz 1909

Postkarte Bergverein Kallmünz 1909, Vilsgasse
Die Rückstände des Hochwassers lassen die Gewalt der Fluten erahnen. Gott sei Dank konnte der Wirt der heutigen „Blauen Lilie“ seine Bierfässer retten!
1909: Engstelle in der Vilsgasse: Haushaltswaren Münz, jetzt Galerie Fürnrohr unter Wasser
Foto Bergverein Kallmünz e.V., 1909 Vilsgasse
Alois Knauer schildert in seiner Ortsgeschichte: „Am 23. Januar 1909 lag der Himmel einheitlich tiefgrau über der Oberpfalz. In ausnehmend großen, dichten, feuchtschweren Flocken fiel der Schnee… Er fiel ununterbrochen, 6 Tage lang…Schon atmete die Bevölkerung auf… doch nun fiel ebensolange anhaltender Regen, bis das letzte Schneefleckchen zu Wasser wurde. In wilden Sturzbächen schoß es von den Bergen ins Tal, das in kürzester Zeit von einem reißenden Strom angefüllt war, der alles vernichtete…jetzt war von allen Ortschaften in der Oberpfalz der Markt Kallmünz am Sammelpunkt all dieses Wassers am meisten gefährdet. Die Bevölkerung aber blieb ruhig. Nur allzuoft hatte sie unter Hochwasser zu leiden. Sie folgte den telefonischen Alarmmeldungen mit dem Gleichmut jahrelanger Gewöhnung. Ohne Hast brachte sie das Vieh aus den gefährdeten in die Reserve- oder höhergelegenen Nachbarstallungen. Bei so manchem gab es nach der Versorgung der Haustiere eine denkwürdige Überraschung, als er selbst von oben her sein eigenes Haus nicht mehr betreten konnte, so unverhofft rasch setzte am Donnerstag den 4. Februar das Hochwasser der Vils ein.“
Am Planl, Garage Dr. Diehn, links Augustin Haus, in dem früher ein Haushaltswaren Geschäft war. Auf der Rückseite befand sich eine Spenglerei und ein Fahrradgeschäft.

Postkarte Bergverein Kallmünz 1909 Am Planl
„Die Naab staute sich durch den Druck ihrer entfesselten Schwester zu einem ruhigen talweiten See und stieg 3 m hoch an. Von 240 Häusern lagen innerhalb weniger Minuten 200 zum Teil bis zum ersten Stock unter Wasser.
Verwegene Knaben fuhren alsbald in Waschtrögen in der Brunngasse und auf dem Marktplatz herum. Das Wasser senkte sich nach 1 1/2 Tagen ziemlich stark. Aber nun kam die Naab mit noch größerem Ungemach und mit über 4 Meter hohem Anstieg. ..Baumstämme und Eisschollen wirkten wie Geschosse und beschädigten viele Häuser… Von der Steinernen Brücke ragte nur mehr die Mauer am Scheitelpunkt aus den Fluten…
…Vier Tage lang mußten die Menschen unter Angst und Bangen in ihren Häusern ausharren. Zum Glück konnten die meisten von den Resten der allwinterlichen Hausschlachtungen und dem hausgebackenen Brot leben. Gar manche mussten vom ersten Stock aus zusehen, wie Bilder, Kruzifixe und wertvolle Andenken aus den eingedrückten Fenstern der unteren Wohnräume abgeschwemmt wurden… Der ganze Markt sah zerschunden aus, als hätte er unter Feuer feindlicher Batterien gestanden. Löcher glotzten an Häusern und auf Straßen, die dicht mit Eisschollen bedeckt waren; doch war weder Menschen- noch Tierleben zu beklagen.“ S. 104 ff

Foto Bergverein Kallmünz: Brunngasse nach Hochwasser
Bei Hochwasser verkehren in der Vilsgasse Boote, vorne die Mutter des früheren Eigentümers des Bacherhauses, Frau Hirschmann.

Foto Bergverein Kallmünz e.V., 1954
Befunduntersuchungen des denkmalgeschützten Hauses an der Vilsbrücke verweisen auf einen Bau aus dem 13. Jahrhundert, vermutlich Stallungen. Hochwasser sind über Jahrhunderte ein und ausgegangen, dennoch stand das Haus zwei Jahre zum Verkauf. Potentielle Käufer schreckte vor allem die Lage an der Vils, die regelmäßig auch ins Haus kommt. Der Autor, seine spätere Frau und ein Freund erbarmten sich schließlich und sanierten das Gebäude. Zu einem Hausbesuch nach der Geburt der Tochter musste die Hebamme im Januar 1995 mit Angelstiefeln durch die Fluten waten.
Bei Hochwasser verkehren in der Vilsgasse Boote, vorne die Mutter des früheren Eigentümers des Bacherhauses, Frau Hirschmann. Foto von 1954. Die Häuser in der Engstelle der Vilsgasse kann man bei Hochwasser, wie hier zu sehen nur über eine Leiter verlassen. Ein Boot sorgt dann für den weiteren Transport.

Foto Bergverein Kallmünz e.V., 1954

Foto Bergverein Kallmünz e.V., 1954
Blick vom Marktplatz in die Vilsgasse. Die Funktion der Brücken über die Gasse wird hier deutlich. Vom ersten Stockwerk aus kann man auch bei Hochwasser das Haus verlassen und seinen Sonntagspflichten nachkommen. Der Einkauf in der Dampf Bäckerei Mauerer gestaltet sich eher schwierig.
Foto Bergverein Kallmünz e.V., 1954, Blick in die Vilsgasse Marktplatz
Foto Bergverein Kallmünz e.V., 1954, Marktplatz
Hochwasser kann es auch im Sommer geben, wenn es lange Zeit stark regnet. Die Kinder scheinen ihren Spaß am Wasser zu haben. Immer sind Hochwasser eine Gefahr manchmal auch lebensbedrohlich. Es sind schon mehrere Kallmünzer bei Hochwasser tragisch ums Leben gekommen.
Der Inselweg, der Graben und das Planl werden bei Hochwasser zu einem gefährlichen Fluss.
Auch die Häuser dort sind dann nur noch mit Booten zu erreichen.
Foto Bergverein Kallmünz e.V., 1954, Am Planl
Das Haus rechts im Bild ist das frühere Bürstenbinderhaus, jetzt der beliebte „Bürstenbinder“.
Wenn man das Foto sieht, versteht man die lapidare Bemerkung auf dem Bierdeckel „Bei Hochwasser geschlossen!“
Foto Bergverein Kallmünz e.V., 1954, Am Graben
Das Wasser reicht bis zur Engstelle bei Elektro Rauch. Nur mit dem Boot können die Bewohner des Inneren Marktes den Ort verlassen.

Foto Bergverein Kallmünz e.V., 1954, Aufgang zur Naabbrücke
Alois Knauer beendet seinen Bericht über das Hochwasser 1909 und das gilt wohl immer noch: „Die Kallmünzer dankten Gott für die Rettung und waren deshalb in ihren Ansprüchen bescheiden.“
Bilder von Künstlern auf denen Hochwasser festgehalten wird sind bisher nicht bekannt. Aber natürlich erzählen die Kallmünzer immer wieder von den Problemen mit dem Hochwasser. Nicht zuletzt erinnert der häßliche neue Betonteil der Steinernen Brücke immer an Zerstörungen durch Hochwasser.
Nach unserem Exkurs gehen wir weiter vom Schmidwöhr am Raitenbucher Schloss zum
8. Kainbogen


